TOBIAS STENGEL
VARIANTEN ZUM WÜRFEL
Annäherung an eine Ordnung, Wachs, Eisenguss, 1993 / Foto: Götz Schlötke
3 Bilder, Wachs, Sand, Stahl, 1993 / Foto: Götz Schlötke
Wertzeitraum, Installation (Detail), Ausstellungshalle Mönchskirche Salzwedel, 1995 / Foto: Tobias Stengel
Würfelflächen, Festspielhaus Hellerau, Wachs, Sand, 1998 / Foto: Götz Schlötke
21 Kreise, Conzani Center, Columbus (OH) USA, Wachs, Sand, 1997 / Foto: Tobias Stengel
Fingerprint, 2 x 2 m, Wachs, Sand, 2008/2009 / Foto: Tobias Stengel
Myzel, Wachs, Holz, 2008 / Foto: Tobias Stengel
Die Woge, Wandinstallation, Kunsthaus Erfurt, Wachs, 2006 / Foto: Tobias Stengel
Tag und Nacht im Gleichgewicht, Wandinstallation, Galerie Svenshög, Lund,Schweden, 2007 / Foto: Tobias Stengel
40 Module einen Würfel aufzufalten, Wachs, Pappe, 1994/96 / Foto/ Eigentümer: Kunstfonds Sachsen
Jeder Abdruck dokumentiert meine innere Spannung.
Jeder Abdruck verbindet den Raum mit der Fläche,
den Gedanken mit Materie,
Emotion mit Rationalität,
konvex mit konkav.
Jeder Abdruck wird ablesbar am erstarrten Wachs,
das in die Negativform des Sandes gegossen wurde.
Es verharrt in dieser Form, bis es wieder eingeschmolzen wird
und eine andere Situation ausfüllt.
(Tobias Stengel, 27.11.1994, aus dem Arbeitstagebuch)
Stempeldruck, Wasserfarbe auf Papier, je 65,2 x 50,1 cm, 1996
Foto: Lutz Poltrock
Radierung zum Würfel, je 53 x 38,7 cm, 2004
Foto: Lutz Poltrock
WIE KAM ES DAZU RADIERUNGEN MIT DEM WÜRFEL ZU MACHEN?
Im Kontext des Arbeitsbereiches „Varianten zum Würfel“ habe ich mich für ein Jahr in die Druckwerkstatt „Obergrabenpresse“ zurückgezogen. Gemeinsam mit dem vorzüglichem Drucker Jochen Lorenz entstanden eine Vielzahl von Radierungen, Versuche, Zwischenschritte – zu einer Auflage kam es eher nicht.
Aber zurück zum Konzept „Varianten zum Würfel“:
Vor vielen Jahren, während des Zeichnens von Strukturen, Geflächten, mikroskopischen Vergrößerungen etc., stellte sich für mich die Frage, handelt es sich um einen Ausschnitt eines Kosmos oder möchte ich das Ganze in einer Komposition komprimiert darstellen – letztlich eine Fragestellung nach ANFANG und ENDE? Beide Worte haben genau sechs verschiedene Buchstaben, die ich mir auf die Flächen eines Würfels geschrieben habe. Damit begann eine Eigendynamik, ein Arbeitsfeld, das ich damals in seiner Dimension nicht erahnen konnte. In dem ich den beschrifteten Würfel in die Fläche aufklappen konnte, war eine Antwort auf ANFANG und ENDE gefunden – der Dimensionssprung zwischen Fläche und Körper. So begann das Spiel Varianten zu finden den Würfel in der Fläche abzurollen. Es entstanden Module, erst elf verschiedene, später wurden es vierzig. Das sollten die Bausteine meiner Arbeit für die nächsten Jahre sein.
Ich begann diese zu systematisieren und zu kombinieren, nach Charakteren zu ordnen, es entstand ein Archiv. Praktisch stellte sich der Prozess des verschiedenen Abrollens des Würfels so dar, dass in einer Sandfläche mit einem Würfel Abdrücke eingedrückt und die Vertiefungen mit flüssigem Wachs ausgegossen werden. Die dadurch entstandenen Module nutzte ich für komplexe Wandinstallationen, die bis zu 500 Einzelteile umfassten. Wenn die jeweilige Arbeit (Ausstellung) beendet war, wurde ein Foto angefertigt und das Wachs wieder eingeschmolzen. Das Material sammelte Erfahrungen. So ging es einige Jahre zu vielen Ausstellungen an verschiedenen Orten der Welt.
Die Körperlichkeit der Wachsmodule verhindert allerdings dass sich verschiedene Strukturen überlagern können. Das Bedürfnis entstand diesen Arbeitsbereich auf einer Papierfläche zu realisieren, mehrere Schichten übereinander zu bringen die sich gegenseitig beeinflussen. Es gab Versuche mit einem Würfel aus Schaumgummi und Farbe und später dann das Nutzen eines Druckverfahrens. Es wurde eine Technologie entwickelt, die durch mehrmaliges Ätzen, Beschichten und Abrollen auf einer Zinkplatte, verschiedene Ebenen überlagern lässt.
Die hier abgebildeten Ätzradierungen sind ein Teil dieser Ergebnisse.
Tobias Stengel, Januar 2019